,,Lederfresse'' wirklich alles nur Spiel?
10.Februar 2013 Dorfzeitung
Helmut Kraussers Theaterstück, inspiriert durch den Film “The texas chainsaw massacre”, besser bekannt als „Kettensägenmassaker“, spielt mit vielerlei Ängsten. Ein junger Dichter mit einem Faible für Horrorfilme besorgt sich eine Kettensäge, näht sich eine Maske und hängt sich eine blutbeschmierte Gummischürze um. Einem „realistischen“ Videoabend sollte nichts mehr im Wege stehen.
Von Elisabeth Pichler.
Der pensionierte Nachbar, der sich durch die laute Musik gestört fühlt, macht dem jungen Mann keine Sorgen. Als jedoch plötzlich seine Freundin unangemeldet ins Zimmer platzt, besteht Erklärungsbedarf. Er versichert der hysterisch kreischenden jungen Frau zwar: „Du bist meine Prinzessin“, aber sein Outfit verfehlt seine einschüchternde Wirkung nicht. Als sie sich einigermaßen beruhigt hat, entdeckt sie die Kettensäge, gekauft von ihrem Notgroschen. Es folgt eine lautstarke Auseinandersetzung, ist sie doch von der Notwendigkeit dieses Kaufes nicht zu überzeugen. Der Streit eskaliert und plötzlich steht die Polizei vor der Tür. Mit Hilfe der Kettensäge lassen sich die Ordnungshüter zwar vorerst vertreiben, doch bald schon wird aus dem Spiel blutiger Ernst. Die Tapete mit romantischem Blumenmuster täuscht, bald schon flimmern gruselige Sequenzen eines Horrorfilms über die Wand. Bálint Walter spielt als Poet gerne mit Worten, ständig stürzt er zum Schreibtisch, um sich Notizen zu machen. Doch seine zweite Leidenschaft gilt Horrorfilmen, sie machen ihm Mut in unserer grausamen Welt: „Man muss heute viele Filme sehen, um die Wirklichkeit zu begreifen.“ Melanie Arnezeder als seine leicht frustrierte Freundin hält ihn zwar für einen feigen, kindischen Spinner, doch seinem Charme kann sie dann doch nicht widerstehen.Caroline Richards hat diese tiefschwarze Komödie über eine gnadenlose Welt, in der nur der Starke überlebt, in Szene gesetzt. Ein Stück über den nicht zur Nachahmung empfohlenen Versuch, Ängste auf beklemmende Art und Weise zu bekämpfen. Die Altersempfehlung ab 16 Jahren ist gut gewählt. Viel Applaus für das Team und die Kettensäge bei der Premiere im Kleinen Theater am 6.2.2013.
Mit der Kettensäge gegen die Angst!
18.02.2013 Salzburger Nachrichten
„Lederfresse“ von Helmut Krausser im kleinen Theater!
KARL HARB SALZBURG (SN). Die freie Theaterszene Salzburgs trägt im Moment nicht nur Monologe. Wir berichteten von durchaus eindrucksvollen Aufführungen. Sie trägt auch retro. „Du bist meine Mutter“ (1981), „Wie kommt das Salz ins Meer?“ (1977), demnächst „Stallerhof“ von Franz Xaver Kroetz (1971) und im Moment (noch am 20. Februar im Kleinen Theater) „Lederfresse“ von Helmut Krausser.
Das war 1994 eine kräftig-artifizielle „Tour de Farce“ auf einen Splattermovie-Horrorfilm („The Texas Chainsaw Massacre“) und erzählt eine eigentlich rührende Unfähigkeits-Liebesgeschichte.
Ein erfolgloser Schriftsteller kauft sich mit dem Notgroschen seiner Freundin (Beruf: Kellnerin, Status: eben arbeitslos) eine Kettensäge und spielt mit einer Ledermaske den Zombie, zumindest aber den (Halb-)Starken so laut, dass der Nachbar („das Krustentier“) die Polizei auf den Plan ruft. Der Dichter, an das Spiel mit Fiktion und Realität gewohnt, es aber nicht mehr so richtig unterscheiden könnend, will die böse Außenwelt bannen, aber diese ist letztlich doch stärker.
Das Thema der Gewaltbereitschaft stellt sich heute wohl anders, für einen Kommentar zum freien Waffenbesitz à la USA etwa taugt es nicht. Die Frage nach Angstzuständen aller Art und dem Umgang mit ihnen ist da schon weitaus dringlicher.
Dennoch: Man müsste den Stoff, wie ihn der Münchener Autor in seinem weltweit erfolgreichen Bühnenerstling zu gestalten versuchte, heute wohl noch einmal gehörig zuspitzen, ihn als eine Farce über die Farce einer Farce spielen: grell und künstlich, rasend und rasant. Wirklich wie ein Splattermovie. Immerhin wird man auch an Christoph Schlingensiefs spaßig-schmutzigen Horrorkracher „Das deutsche Kettensägenmassaker“ erinnert.
Die von Caroline Richards inszenierte Aufführung mit Balint Walter und Melanie Arnezeder ist ein letztlich zu braver Versuch, ein Außenseiterdrama mit etwas rührendem Charme vorzuführen. Zwar erspielen sich beide Schauspieler, jeder für sich, einen ordentlichen Typ, aber es sind letztlich nur zwei mehr oder weniger ehrliche, allenfalls schrullige Figuren, die uns durch 75 Minuten Bühnenleben (inklusive einer poetisch im Schattenriss fabrizieren Nacht) begleiten.
Immerhin: Es wird sorgfältig gesprochen – von Walter mit einem sympathischen kleinen ungarischen Akzent –, es werden Situationen herausgespielt, die ehrgeiziges Profil zeigen. Aber das könnte mehr subversiven Witz vertragen, auch verzweiflungskomischere Pointen.
Wie auch immer: Ein Stück Theater der 1990er-Jahre wurde auf die Probe gestellt. Es gibt, auch in dieser Retrokategorie, freilich Zwingenderes. Wie wäre es, beispielsweise, wieder einmal mit Wolfgang Bauers „Magic Afternoon“?
SN
18.02.2013
Die Säge kann auch singen und säuseln!
18.Februar 2013 Drehpunkt Kultur
Ein starkes Stück: stark sowohl im Sinne von „starken Bildern“, als auch beachtlicher Leistung der beiden Schauspieler. „Lederfresse“ heißt diese atemberaubende „Tour de Farce“ unter der Regie von Caroline Richards. Premiere war am Donnerstag (6.2.) im Kleinen Theater.
VON URSULA TROJAN
Als Sie nach hause kommt, kann sie nur gellend schreien. Er steht in blutverschmierter Schürze vor ihr, eine Motorsäge im Anschlag. Über das Gesicht hat er sich eine seltsame Ledermaske gezogen, im Hintergrund läuft sein Film-Favorit, das „Texas Kettensägen-Massaker“. Hat er, so wie er aussieht, gemordet? Wird sie sein nächstes Opfer sein? Langsam entspannt sich die prekäre Lage. Es ist nichts passiert. „Es ist nur ein Kostüm“, sagt er, unangenehm berührt, weil sie ihn in diesem Aufzug und in Action nicht hätte sehen sollen. Was folgt, sind beziehungstechnisch bedingte Frage- und Antwortspiele. Warum sei sie überhaupt jetzt schon zu Hause? Warum befolge sie nie seine Anweisungen, zum Beispiel gerade vorhin, als er sie ja davor gewarnt hatte, herein zu kommen und das Licht aufzudrehen. Er wolle doch immer alles nur zu ihrem Besten…Der Autor Helmut Krausser sagt über sein Stück: „Lederfresse behandelt mein Lieblingsthema: die chronischen Angstzustände der aus den Fugen brechenden Westwelt, die daraus entstehenden Masken und Mutationen, die völlige Aufhebung der Wirklichkeit in der Simulation“.
Die beiden Schauspieler Melanie Arnezeder und Bálint Walter setzen dieses lustvolle Changieren zwischen Angst und Überheblichkeit gekonnt um. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Hier wird gespielt – nicht nur innerhalb der Paarbeziehung, sondern auch gegenüber der „Welt da draußen“. Jedes Beutetier will auch einmal zum Raubtier werden, und sei es nur für eine – aufregende – Nacht. Bálint Walter agiert mit viel komödiantischem Talent in diesem rabenschwarzen Stück. Melanie Arnezeder vermag mit Leichtigkeit verschiedene Stimmungsfacetten aufzuzeigen und darin umherzuspringen. Die Figuren beider verlangen viel körperlichen Einsatz. Pausiert das Rollenspiel im Spiel, wird kurzfristig Schattentheater eingesetzt: so wird trotzdem „alles“ gezeigt, muss auch nicht die Erotik auf der Strecke bleiben. „Theaterverein Janus“ nennen sich Melanie Arnezeder und Bálint Walterals Ensemble.
Da ER Schriftsteller ist, spielt er zudem gerne mit Worten. Der Kettensäge wird viel von ihrem Schrecken genommen, weil sie auch singen und säuseln kann.
Kontakt
Theaterverein JanusMelanie Arnezeder
Bálint Walter
5020 Salzburg
+43/660 4827640
+43/660 4861462
theaterverein.janus@gmail.com
Aktuelle Spieltermine:
ARGE Salzburg
Mo, 12.01
11.00 uhr
Di, 13.01
11.00 uhr
Mi, 14.01
11.00 uhr
Do, 15.01
11.00 uhr + 19.30 uhr
Fr, 16.01
11.00 uhr